âIch bin Anwohnerin, Radfahrerin, FuĂgängerin und manchmal auch Autofahrerin. Und ich engagiere mich beim Radentscheid. Das kann ich alles ja gar nicht voneinander trennen!â, lacht Regine Meinerts, die vor fĂźnf Jahren nach Bielefeld gezogen ist. Die Stadt kannte die pensionierte Lehrerin zuvor aber schon recht gut. Wie steht sie zur FahrradstraĂe? Wir haben nachgefragt.
Frau Meinerts, was hat Sie dazu bewogen, sich beim Radentscheid zu engagieren?
Ich wollte mich gern im Bereich Klimaschutz und Verkehrswende einbringen. Die Bedingungen fĂźr Radfahrende in Bielefeld fand ich allgemein schlecht. Und so bin ich Anfang 2020 zum Radentscheid gekommen. Da war die Unterschriftensammelaktion schon fast beendet. Ich habe mich unter anderem um die Ăffentlichkeitsarbeit gekĂźmmert und bin nun damit befasst, im engen Kontakt mit der Verwaltung, die Umsetzung des im Sommer 2020 zwischen Stadt und Radentscheid geschlossenen Vertrags zur Verbesserung der Situation des Radverkehrs voranzutreiben.
Der Radentscheid Bielefeld sammelte unter dem Motto âEntspannt und sicher Rad fahren â von 8 bis 88 Jahrenâ Unterschriften fĂźr ein Paket von elf Zielen, mit denen die Infrastruktur fĂźr den Radverkehr in Bielefeld ausgebaut und verbessert werden soll. 26âŻ567 Unterschriften fĂźr ein BĂźrgerbegehren kamen zusammen. Am 18.6.2020 stimmte der Rat der Stadt dem zwischen dem Radentscheid und der Stadt Bielefeld ausgehandelten Vertrag, der wesentliche Punkte des BĂźrgerbegehrens umfasste, zu. Zeitgleich wurde das Radverkehrskonzept fĂźr die Stadt Bielefeld beschlossen.
Was wäre aus Ihrer Sicht eine echte Verbesserung?
Alles, was das Fahrradfahren sicherer und komfortabler macht und mehr Menschen dazu animiert, mĂśglichst viele Wege auch im Alltag mit dem Rad zurĂźckzulegen. Beim Thema FahrradstraĂen ist Bielefeld schon ein StĂźck vorangekommen, denn im Mai 2021 wurden die âGrundzĂźge der Gestaltung von FahrradstraĂenâ als verbindlicher Standard fĂźr Bielefeld beschlossen. Wir vom Radentscheid haben in einem intensiven Prozess mit der Verwaltung darauf hingewirkt, mĂśglichst viele fahrradfreundliche Kriterien aufzunehmen. Da haben wir schon eine gewisse Hartnäckigkeit an den Tag gelegt (lacht). Wir wollen den Durchgangsverkehr aus FahrradstraĂen raushalten und ausreichend breite Fahrbahnen fĂźr Radfahrende haben. Und Ăźber die Fahrbahnbreiten gelangt man schnell zu der Frage, ob und wo Autos parken dĂźrfen, wobei auch noch Sicherheitsabstände zwischen Fahrbahn und parkenden Autos zu berĂźcksichtigen sind. Wenn diese vereinbarten Standards zur Gestaltung eingehalten werden, ist viel gewonnen! Das ist im Ehlentruper Weg und in der RohrteichstraĂe prinzipiell ganz Ăźberwiegend der Fall. Wir freuen uns riesig, dass nun mit dieser Strecke das Pilotprojekt gestartet ist. Auch wenn es noch sehr langsam vorangeht, habe ich die groĂe Hoffnung, dass nun beim ersten Projekt alle Schwierigkeiten durchexerziert werden und es dafĂźr bei den nächsten FahrradstraĂen in Bielefeld ein bisschen einfacher geht. Denn eigentlich soll Bielefeld jedes Jahr 10 Kilometer FahrradstraĂe bekommen, so ist es vertraglich vereinbart. Davon sind wir noch weit entfernt.
Wie haben Sie die Situation am Ehlentruper Weg bzw. an der RohrteichstraĂe vor der EinfĂźhrung der derzeit erprobten EinbahnstraĂenregelung empfunden?
Als ich vor fĂźnf Jahren nach Bielefeld zog, fiel mir das Schild âFahrradstraĂeâ auf, das den Abschnitt auf dem Ehlentruper Weg zwischen der Teutoburger StraĂe und der PrieĂallee umfasste. Da wusste ich gar nicht, was das bedeuten sollte und habe mich kundig gemacht. In der Praxis jedoch war das keine FahrradstraĂe. Die Fahrbahn war durch die rechts und links parkenden Autos viel zu schmal fĂźr Begegnungsverkehr. Vor allem, wenn zwei Autos aufeinandertrafen, stand häufig ein Auto auf der StraĂe, sodass Radfahrende anhalten und sogar absteigen mussten. Es galt Ăźberall ârechts vor linksâ, und die EinmĂźndungen waren oft zugeparkt. Als Radfahrerin habe ich mich da immer ganz vorsichtig herangetastet, weil ich die kreuzenden StraĂen nicht einsehen konnte. Das Radfahren war mit vielen Unsicherheiten verbunden und keineswegs entspannt.
Wie beurteilen Sie die EinbahnstraĂenregelung, die nun in der ersten Testphase erprobt wird?
Positiv zu bewerten ist, dass dadurch der Durchgangsverkehr weitestgehend unterbunden wird. Es ist spĂźrbar ruhiger geworden. Als Radfahrerin kommt man besser durch, alles ist flieĂender und die Luft ist auch besser. Mein Sicherheitsempfinden hat sich schon deutlich verbessert, obwohl ich mich noch nicht traue, wirklich unbedenklich durchzufahren. Auch ich habe noch im Kopf, dass bei einigen EinmĂźndungen zuvor die Rechts-vor-links-Regelung galt, und fahre dort entsprechend vorsichtig. Das muss sich erst einspielen. Später, wenn die Gehwege Ăźber die EinmĂźndungen hinweg durchgebaut sein werden, wird das Fahren auf der FahrradstraĂe noch viel sicherer und entspannter werden. Was mich aber ärgert, ist, dass immer noch viele Autos gegen die EinbahnstraĂe unterwegs sind. Im Grunde begegnen mir bei fast jeder Fahrt ein oder zwei Falschfahrer. Da hätte ich mir deutlichere Schilder gewĂźnscht, um die Autofahrenden auf die geänderte VerkehrsfĂźhrung aufmerksam zu machen. Ich konnte auch nicht beobachten, dass Kontrollen stattfanden. Beim altstadt.raum wurde extra jemand abgestellt, der die Autofahrenden entsprechend eingewiesen hat. Man kĂśnnte ja darĂźber nachdenken, Papp-Polizisten aufzustellen, die auf die neuen Schilder hinweisen. Und leider sind bisher auch, was die Halteverbote angeht, die Beschilderung und die Markierungen auf der StraĂe mancherorts nicht richtig oder widersprĂźchlich.
Was meinen Sie mit widersprĂźchlich?
Zum Beispiel hängt unter einem Schild âabsolutes Halteverbotâ ein Schild, das den Weg zum nächsten Parkscheinautomaten weist. Das ist genauso irrefĂźhrend wie die weiĂen Striche auf dem BĂźrgersteig, die zuvor markierten, wie weit die Autos auf dem BĂźrgersteig parken durften. Das ist vor allem in der RohrteichstraĂe noch ein groĂes Problem. Dort gilt fast durchgängig ein absolutes Halteverbot auf einer StraĂenseite, aber die weiĂen Markierungen suggerieren etwas anderes. Am Ehlentruper Weg wurden die alten Markierungen schon Ăźbermalt, an der RohrteichstraĂe noch nicht. Dort ist die Situation mit rechts und links der StraĂe parkenden PKW genauso so schlimm wie vorher. Ich hoffe sehr und dränge auch darauf, dass das nachgebessert wird. Aber ich will das Projekt nicht schlechtreden: Unterm Strich ist die FahrradstraĂe eine groĂer Gewinn! Und wir vom Radentscheid bekommen viele positive RĂźckmeldungen.
Haben Sie Verständnis fßr die Parkplatzsorgen der Autofahrenden?
Ich finde es schade, dass das Thema Parkplätze Ăźberproportional viel Raum in der Diskussion um die FahrradstraĂe einnimmt. Die, die sich beschweren, tun das mit einer solchen Vehemenz, dass ein falsches Bild entsteht. In den meisten NebenstraĂen ist ausreichend Parkraum da. Etwa die Hälfte der Anwohner*innen hat gar kein Auto. Viele sind froh darĂźber, dass die Gehwege nun freier sind. Das war und ist uns vom Radentscheid auch immer wichtig: Eine Verbesserung zugunsten der Radfahrenden darf niemals zulasten der FuĂgänger*innen gehen. Im Gegenteil: Viele der von uns angestrebten Verbesserungen bringen auch fĂźr die Menschen, die zu FuĂ und vielleicht mit Kinderwagen, Kleinkindern oder in RollstĂźhlen unterwegs sind, mehr Raum und mehr Sicherheit.
Doch zurĂźck zum Thema Parken: Ich fände es gut, die Zone, die die Parkraumbewirtschaftung umfasst â also die Teile der Strecke, wo das Parken kostenpflichtig ist â, auszuweiten und fĂźr die Anwohner entsprechende Parkausweise anzubieten. Man kann derzeit gut beobachten, dass dort, wo das Parken umsonst ist, die StraĂen oft komplett zugeparkt sind, aber dort, wo es etwas kostet, meist gar kein Parkdruck herrscht. Wenn wir die Verkehrswende ernst nehmen, dann muss auch das kostenfreie Parken ein Ende haben.
Wenn Sie an die zweite Testphase denken: Was werden die Diagonalsperren bringen?
Ein groĂer Vorteil bei den Diagonalsperren ist, dass tatsächlich ein physische Barriere da ist und die Autofahrendenden dort schlicht nicht durchfahren kĂśnnen. Aber im Gegensatz zu der EinbahnstraĂenregelung haben wir dann wieder Begegnungsverkehre zwischen PKW, die Radfahrende unter Umständen stark behindern. Ich persĂśnlich bin daher etwas skeptisch und warte erst mal ab. Dass so etwas ausprobiert wird, finde ich aber auf alle Fälle sehr gut!
Was wĂźrden Sie sich fĂźr die FahrradstraĂe wĂźnschen?
Ich fände es groĂartig, wenn die jetzt freigewordenen Flächen sinnvoll genutzt wĂźrden. Ăber Bäume, PflanzkĂźbel, Bänke, Wasserspender oder Spielgelegenheiten fĂźr Kinder wĂźrde ich mich sehr freuen. Das steigert die Lebensqualität im Quartier weiter. Und mein Traum wäre ein kleines CafĂŠ an der Kreuzung mit der DiesterwegstraĂe.